Birkenwerder Erklärung der HDS (Hochschulinitiative Demokratischer Sozialismus e.V.)
Die HDS hat aus gegebenem Anlass auf ihrer Jahrestagung in Birkenwerder bei Berlin am 8. März 2008 die folgende Er- klärung erarbeitet:
Die HDS hat sich seit ihrer Gründung im Jahre 1975 darum bemüht, dazu beizutragen, die theoretischen Positionen des demokratischen Sozialismus in Europa zu überprüfen, zu korrigieren und zu erweitern. Dazu gehörte bis zum heutigen Tag und darüber hinaus die dezidiert kritische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und seinen Nachfolgern in allen seinen Formen.
Wir sind der Auffassung, dass stra- tegische Umorientierungen, wie sie gegenwärtig in der SPD diskutiert wer- den, nicht als Machterhalt oder Macht- gewinnung denunziert werden dürfen, sondern als Möglichkeit, gesellschaft- liche und politische Reformen nach den Spielregeln der parlamentarischen De- mokratie durchzusetzen.
Die SPD muss, wenn sie glaubwür- dig bleiben will, darauf bestehen, dass die Partei „Die Linke“ sich personell und ideologisch-programmatisch von kom- munistischen Restbeständen befreit. Tut „Die Linke“ das nicht, müsste sie als eine Partei betrachtet werden, die ungebro- chene Kontinuitätslinien von der SED über die PDS aufweist. Mit einer solchen Partei könnte die SPD noch nicht einmal partiell zusammenarbeiten geschwei-
ge denn Koalitionen bilden. Dies muss angesichts gewisser Verharmlosungstendenzen in der SPD gegenüber der Partei „Die Linke“ so deutlich gesagt werden.
Wir warnen davor, ohne genaue Prüfung der jeweiligen Formationen der „Linken“ auf Länderebene Entschei- dungen für eine Zusammenarbeit zu treffen. Es gibt in der Partei „Die Linke“ ehemalige Sozialdemokraten, die Sozialdemokraten geblieben sind, und ehemalige Mitglieder der SED, die inzwischen Sozialdemokraten geworden sind, mit denen die SPD verlässlich zu- sammenarbeiten könnte. Es gibt aber auch, sieht man von sektiererischen Einzelkämpfern ab, Kommunisten und Anhänger der DKP, die wieder und teil- weise sehr offensiv ihre Vorstellungen in und außerhalb der Partei „Die Linke“ propagieren.
Die SPD muss dem als Herausforde- rung gedachten Versuch der Partei „Die Linke“, die SPD wieder einmal nach kommunistischem Vorbild als Verräte- rin der Arbeiterinteressen vorzuführen, mit einem entschiedenen offensiven Verhalten entgegentreten.
Wenn wir dennoch für ein Konzept der Öffnung der SPD gegenüber der Partei „Die Linke“ Verständnis haben, geschieht dies aus mehreren Gründen: 1. die SPD muss sich ihre Gestaltungs- macht für gesellschaftliche Verände- rungen erhalten können; 2. sie darf sich nicht in die Abhängigkeit begeben von großen Koalitionen oder vielfar- bigen instabilen kleinen Koalitionen; 3. sie muss nach Mehrheiten streben, mit denen sie ihre politischen Ziele, die mit CDU oder FDP nicht realisierbar sind, durchsetzen kann.
Wer die Öffnung gegenüber der „Linken“ in Widerspruch bringt zum Ver- such auch die Mitte zu erreichen, bleibt die Antwort schuldig, wie sozialdemo- kratische Inhalte mehrheitsfähig und durchsetzbar werden sollen. In der „Mitte“ allein wird die SPD jedenfalls nicht ihre Mehrheit finden können. Auch darf die Tatsache, dass die „Linkspartei“ versucht, klassisch sozialdemokratische Begriffe, Projekte und Bündnispartner zu vereinnahmen (Demokratischer Sozialismus, soziale Gerechtigkeit, Daseinsvorsorge, Mindestlohn, Gewerkschaften usw.), nicht dazu führen, dass die Sozial- demokratie diese Begriffe, Projekte und Partner und das damit verbundene poli- tische Potential preisgibt.
Auch in der jetzt schwierigen Situati- on und den damit verbundenen Kontro-
versen sollten sich alle in der SPD daran erinnern, dass sie sich nicht in einer in- dividuelle Interessen bedienenden Orga- nisationsmaschinerie befinden, sondern – wie Willy Brandt es formulierte – eine „Willens- und Ideengemeinschaft“ bilden. Deshalb appellieren wir an alle Beteiligten, im Interesse der Gesamtpartei solidarisch miteinander umzugehen.
Klaus Barthel (MdB), Christa Bärwolf, Rainer Bleckert, Prof. Dr. Nils Diede- rich, Klaus Faber (StS i.R.), Prof. Dr. Helga Grebing, Thomas Goger, Dr. Horst Heimann, Dr. Siegfried Heimann, Prof. Dr. Ulrich Heyder, Thomas H. Krause, Dr. Hans Misselwitz, Dr. Peter Müller- Rockstroh, Roland Popp, Prof. Dr. Sibylle Reinhardt, Dr. Klaus-Jürgen Scherer, Jan Turowski, Bodo Wagener.